Es ist schrecklich, aber wenn ich auf dieses Jahr zurück blicke, dann habe ich viel zu wenig Belletristik gelesen – und (zu ?) viele Sachbücher. Hier eine Auswahl der Bücher, die in diesem Jahr auf meiner Reading-List stand:

Lucy Cooke: Bitch – Ein Buch nicht nur für Thilo Mischke, sondern alle Männer und Frauen. Denn: Unsere ach so aufgeklärten Rollenbilder, die teilweise aus der Natur abgeleitet werden, bekommen Schlagseite, wenn sich eine Biologin mal die Fauna genau anschaut. Außerdem eine Pflichtlektüre für Menschen, die denken, dass Erdmännchen die süßesten kleinen Fellfreunde im Zoo sind (Spoiler: Terrorherrschaft). Mein Favorit des Jahres.

Emily Nussbaum: Cue the Sun – Bachelor, Bauer sucht Frau und Dschungelcamp sind nicht vom Himmel gefallen, sondern waren die Erfindungen von Menschen, die das Reality-TV zu seiner heutigen Allgegenwärtigkeit verholfen haben. Als Kind der 90er erinnere ich mich noch an MTV’s „The Real World“, aber die Wurzeln gehen bis in die 60er zurück. Witzig, oft unfassbar und lesenswert.

Nandini Das: Courting India – Kommt ein Brite nach Indien. Nein, zum Glück ist es viel mehr. Vor allem ein Einblick in das Indien vor der britischen Geschichtsschreibung. Kolonialgeschichte ist wichtiger denn je.

Tim Shipman: No way out. Der Times-Journalist Tim Shipman ist in der Tory Party bestens vernetzt. Eine gefällige Chronologie der Brexit-Jahre im Vereinigten Königreich ist es trotzdem nicht geworden. In meinem Politikstudium ging es viel um Theorien des politischen Denken – hier wird klar, dass vor allem die menschlichen Limitierungen aller Akteure am Ende zu dem Ausgang geführt haben.

Annie Jacobsen: Nuclear War. A „page turner“, wie man so sagt. Es hinterlässt zwei Gefühle: 1.) Absoluter Horror vor dem sehr einfachen Beginn eines globalen Atomkriegs. 2.) Die beruhigende Gewissheit, dass wir in Mitteleuropa innerhalb von 90 Minuten alle ausgelöscht sind und uns das „Nachher“ nicht mehr interessieren muss. Punktabzug gibt für die cheesy story rund um den fiktiven US-Präsidenten.

Gary Stevenson: A Trading Game: Ein Junge aus East London landet am Trading Desk einer internationalen Großbank – und hat schnell mit Millionen und Milliarden zu tun. Wer verstehen möchte, wie Wetten auf Wechselkurse laufen und wie die Mechanik zwischen Banken, Brokern, Börsen und normalen Menschen funktioniert, dem sei dieses unterhaltsam geschriebene Buch ans Herz gelegt.

Emma Southon: A history of the Roman Empire in 21 Women. Cäsar! Augustus! Selbst Romolus August kennen noch viele. Und die Frauen im römischen Reich? Emma Southon hat die Quellen durchforstet und stellt eine kleine Auswahl an ihnen vor. Unbedingt vor dem nächsten Besuch in Pompeji durchlesen. Ich mag den etwas schrägen Wortwitz ja sehr.

Jake Adelstein: Tokyo Vice. Geschichten aus dem Rotlicht und Untergrund der größten Stadt der Welt. Der Autor findet sich schon sehr cool, und es gibt Menschen, die behaupten, dass nur die Hälfte stimmen würde. Also vielleicht eher Belletristik als Sachbuch. Aber für Japan-Fans trotzdem lesenswert. TV-Umsetzung habe ich noch nicht gecheckt.

Steve Coll: The Achilles Trap. Nochmal ich als Kind der 90er: Die grünen Nachtaufnahmen von Bagdad, General Schwartzkopf und brennende Ölfelder. Das alles hat sich in mein Gedächtnis gebrannt damals. In dem Buch geht es um die Geschichte des Landes, Saddams Aufstieg und vor allem ganz viele Missverständnisse, die zum ersten Golfkrieg führten. Als Big Lebowski-Fan findet man natürlich auch die passende Stelle in dem Buch…

Roger Crowley: Spice – Nochmal Kolonialgeschichte. Wobei: Eigentlich sind es nur die Berichte der ersten wilden Jagden der Portugiesen nach Muskat und anderen Gewürzen. Spannend geschrieben, aber es fehlt ein wenig der Kontext, nach den Reisegeschichten ist das Buch quasi plötzlich zuende.

Ed Conway: Material World. Wofür brauche ich noch Kupfer, ich hab doch Wlan. Sand? Ist das außer für den Sandkasten noch wichtig? Nicht wenige Menschen in den Industrieländern denken so. Dass aber viel von unserem Wohlstand und unserem Lebensstil an einem guten Dutzend Metallen und anderen Stoffen aus der Erde hängt, wissen viele nicht (inklusive mir). Richtig gutes Sachbuch.

David Van Reybrouck: Revolusi. Klar: China, USA, …und dann kommt: Indonesien! Das drittgrößte Land der Welt taucht nur in den Schlagzeilen auf, wenn in Bali Bomben explodieren oder ein Vulkan ausbricht. Aber die Geschichte der niederländischen Ex-Kolonie (blutige Kolonialgeschichte, again, diesmal in Oranje) ist atemberaubend. Bisher war ich nur einmal in Indonesien – aber nach diesem Buch würde ich auf jeden Fall direkt wieder hin.

Nachnominiert: Kate Conger, Ryan Mac: Character Limit. Elon Musk gibt sich derzeit als der mächtigste Mann der USA. Wie Elon tickt, lässt sich in dieser Chronologie der Twitter-Übernahme gut nachvollziehen. 10/10 Punkten gibt es allein für das Titel-Wortspiel.